FACING HISTORY - KULTURGESCHICHTE IM DIALOG - Sonderausstellung in der Antikensammlung der Universität Bern unter dem Patronat der Bildungs- und Kulturdirektorin des Kantons Bern, Regierungsrätin Christine Häsler, 2019 - 2022, Siegerprojekt des kantonalen Innovationswettbewerbs KULTUR.DIGITAL


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Sprechende Skulpturen

Die Sonderausstellung erschliesst unkonventionelle neue Wege der digitalen Kulturvermittlung. Interaktive Medien wie die digitale Spracherkennung, die Mimikerkennung und die Emotionsanalyse, ermöglichen das direkte Gespräch mit den griechischen und römischen Skulpturen der Antikensammlung Bern. Ein zehnköpfiges Team von Schauspielerinnen und Schauspielern hat bei der Entstehung der Ausstellung mitgewirkt. In insgesamt zwölf interaktiven Videoinstallationen verleihen sie den antiken Statuen und Büsten ihre Stimmen, ihren Ausdruck und eine zeitgenössische Sprache. Auf diese Weise treten die Skulpturen in einen poetischen Dialog mit dem Publikum. Die griechischen Gottheiten Hermes, Aphrodite, Apollon und Athena können über Mikrofone direkt ‹angesprochen› und zu ihrer Geschichte befragt werden. In prägnanten Videosequenzen erläutern sie ihre Bedeutung in der griechischen Mythologie und äussern sich zu aktuellen Themen der Gegenwart.


Kulturelle Vielfalt

Im Fokus der Ausstellungsthematik steht die Auseinandersetzung mit der eigenen Kultur- und Mentalitätsgeschichte. Ausgehend von historischen Anknüpfungspunkten wie der griechischen Mythologie oder der antiken Philosophie, widmet sich die Ausstellung aktuellen Themen der Gegenwart. Kulturelle Verantwortlichkeit gegenüber sich selbst und der Gesellschaft wird sinnlich erfahrbar. «Woher kommen wir? Wohin gehen wir? Wie wollen wir leben?». In insgesamt zwölf interaktiven Videoinstallationen fokussiert die Ausstellung Themen wie die kulturelle Vielfalt, die interkulturelle Kompetenz, den digitalen Wandel, Genderfragen und Gleichstellung. Zwischen Antike und Gegenwart wird der Ausstellungsbesuch zu einer fantastischen Entdeckungsreise in die kollektive und in die eigene Identität. Weltbilder, Anschauungen und Orientierungsmuster werden in unkonventioneller Weise reflektiert und hinterfragt.


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Die Stimme der Gegenwart

Mit einer Videoperformance zur Geschichte der Philosophie und der Aufklärung, ist auch Deutschlands bekannteste freie Philosophin, die Bestsellerautorin Dr. Rebekka Reinhard in der Ausstellung vertreten. Mit ihrer Performance haucht sie einem Bildnis der antiken griechischen Dichterin «Sappho» neues Leben ein und verleiht ihr eine prägnante Stimme der Gegenwart. Umgeben von prominenten Zuhörern wie Platon, Sophokles und Homer, äussert sich die Philosophin zu aktuellen Fragen unserer Zeit. In engagierten Statements erörtert sie zentrale Ausstellungsthemen wie Diversität, interkulturelle Kompetenz, Gleichstellung, Globalisierung und Digitalisierung, Mündigkeit und Verantwortlichkeit gegenüber sich selbst und der Gesellschaft.


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Bildungsangebot Digitalisierung

Die Ausstellung versteht sich als neuartiges Bildungsangebot im Kanton Bern und richtet sich explizit an die junge multikulturelle Generation. Die Ausstellung ermöglicht einen unkonventionellen Zugang zur europäischen Kulturgeschichte und zu den Themen der Digitalisierung. Die «digitale Transformation» und ihr Einfluss auf den gesellschaftlichen Wandel werden direkt physisch erlebbar. Neue Technologien wie die digitale Spracherkennung und die visuelle Gesichts- und Emotionsanalyse können im spielerischen Dialog erprobt und reflektiert werden.


Förderakzent Kultur.Digital des Kanton s Bern

Das spartenübergreifende Projekt wurde im Rahmen des Innovationswettbewerbs «Kultur.Digital» vom Amt für Kultur des Kantons Bern als modellhaftes Vorhaben im Bereich der digitalen Kulturvermittlung ausgezeichnet. Mit dem Wettbewerb fördert der Kanton Bern herausragende Projekte, die neue Wege und Perspektiven der digitalen Kulturvermittlung erschliessen und eine breite kulturelle Teilhabe ermöglichen. Das Konzept für die Ausstellung wurde von den Medienkünstlern Franticek Klossner und Marc-André Gasser entwickelt und in Zusammenarbeit mit den Archäologinnen Prof. Dr. Elena Mango, Cinzia Marti und Josy Luginbühl sowie einem zwanzigköpfigen Team von Schauspielerinnen und Schauspielern, Maskenbildnern, Kameraleuten, Programmierern und Ausstellungstechnikern als Pilotprojekt in der Antikensammlung der Universität Bern umgesetzt. Das Pilotprojekt steht unter dem Patronat der Bildungs- und Kulturdirektorin des Kantons Bern, Frau Regierungsrätin Christine Häsler.


Facing History Team

Konzept, Drehbuch & Regie: Franticek Klossner, Interaktive Medien: Marc-André Gasser, Wissenschaftliche Mitarbeit: Prof. Dr. Elena Mango, Cinzia Marti, Dr. Josy Luginbühl, Schauspielerinnen und Schauspieler, Besetzung: Eva Marianne Berger (Pallas Athena von Velletri), Ben Gageik (Herakles, Büste mit Löwenhelm und Kastor, Monumentalkopf vom Dioskurenbrunnen rechts), Lisanne Hirzel (Ariadne, sog. Weiblicher Kopf vom Südabhang der Akropolis, Asklepieion), ­Malte ­Homfeldt (Hermes von Olympia), Jasmin Kiranoglu (Büste der Niobe), Antonio Ramón ­Luque (­Apollo Belvedere und Antinoos Mondragone), Bernhard Schneider (Büste des Caracalla), Johannes Schumacher (Satyr, sog. Barberinischer Faun), ­Isabelle Stoffel (Aphrodite, Venus von Arles), sowie in einer weiteren Videoperformance die Philosophin Dr. Rebekka Reinhard (Herme der Sappho, sog. Sappho aus der Villa Albani), Kamera: Tom Bernhard, Software: Simon Josi, Video: «Medusa Rondanini»: Adrian Perez, Maske: Pino Zinna, Sinem Yavsaner, Bauten: Bernhard Anliker, Roger Mischler, Andreas Brunner, Stefan Schwärzler


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Eröffnungsfeier FACING HISTORY, 7. Juni 2019, Universität Bern, Hans Ulrich Glarner, Amt für Kultur des Kantons Bern

Auszug aus der Eröffnungsrede von Hans Ulrich Glarner:

 

(...) unter den vielen Bewerbungen bei der Jurierung des Innovationswettbewerbs 2016 des Kantons Bern zum Thema «Kultur.Digital – Impulsbeiträge für digitale Kulturvermittlung» lag ein Dossier der Antikensammlung auf. Ausgerechnet! Die Gipsabgüsse aus dem Abstellraum. Wurde hier etwa ein Dossier falsch zugewiesen?

 

Aber nein: Das Dossier von Frau Prof. Elena Mango und Frantiček Klossner erwies sich als das absolut spannendste von allen. Am Ende der Jurierung schluckten wir alle etwas leer, als wir dem Projekt mit 50‘000 Franken den Hauptpreis zusprachen. Die Eingabe war dermassen faszinierend, aufregend und neu. Aber «Schaffen die das?». Ist ihre Vision, die Figuren der Antikensammlung durch interaktive Szenografien zum Leben zu erwecken, in die Realität umsetzbar?

 

Wir vertrauten weniger den sibyllinischen Begriffen wie «Real-Time Face-Tracking», sondern vielmehr dem Künstler Frantiček Klossner, der bereits in verschiedenen Zusammenhängen unsere hoch gesteckten Erwartungen übertroffen hatte, und wir vertrauten natürlich auch der Universität Bern und ihrem geschätzten Institut für Archäologische Wissenschaften. Die Jury hat insbesondere überzeugt, dass dieses Projekt einen starken künstlerischen Akzent setzt, dafür eine ambitionierte Anwendung digitaler Mittel wählt und auf Nachhaltigkeit ausgelegt ist.

 

Wir wurden nicht enttäuscht. Wie wir heute wissen und erleben werden, konnte das anspruchsvolle Projekt realisiert werden. Und ein erster Coup d’Oeil im Beisein der Künstler empfand ich als äusserst vielversprechend. Auch punkto Nachhaltigkeit: Das Interesse an Übernahmen und Ausweitung des gewählten Ansatzes scheint schon vor Ausstellungseröffnung nicht gering zu sein. Entscheidend ist aus meiner Sicht, dass die Ausstellung uns in Situationen führt, welche die Besuchenden zum Nachdenken anregen. Die Projektionen auf den Gipsfiguren sind nicht bloss optisch reizvoll und im besten Sinne unterhaltend. Die Reflexe auf den weissen Körpern setzen ganz rasch Reflexion in Gang. Sie holen Jahrtausende alte Weisheit ans Licht und sie führen uns beispielsweise vor Augen, dass unsere abendländische Kultur (wie sie ja ab und zu mit anderer Absicht beschworen wird), dass unsere abendländische Kultur, dass Europa auf Diversität gründet. Wie weit greifen doch die Spielarten des Lebens. Und wie stark die Vielfalt eine Gesellschaft machen kann. Dies spiegelt sich im Götterpanorama der Antike, dies finden wir in der Odyssee.

 

Eine Voraussetzung allerdings, dass es gut kommt, ist, dass die Beteiligten gemeinsame Werte teilen. Und dafür geben die antiken Philosophen und deren Rezeption seit der Renaissance und vor allem seit der Aufklärung Anregung genug. So ist mir etwa der Diskurs Aristoteles über die Tugenden einer staatlichen Gemeinschaft ein verlässlicher Wegweiser und gehört für mich wie auch Kleists «Penthesilea» oder Anouilhs «Antigone» bis hin zu «Antigone of Syria», zu den Leitmotiven der Kunst und des Lebens. Mit der Ausstellung «Facing History» begegnet mir dieses Leitmotiv in einer überraschenden, neuen, besonders vielschichtigen Variation. Ich danke allen Beteiligten für diese Bereicherung und wünsche dem Projekt den verdienten Erfolg.


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