Im Herbstsemester 2023 wird am Berner Bildungszentrum BZ Pflege ein einmaliges Kunstprojekt stattfinden. Es richtet sich explizit an Studentinnen und Studenten in den Pflegeberufen. Das Unterrichtsmodul bietet den Lernenden die Möglichkeit, ihre persönlichen Gedanken und beruflichen Erfahrungen in unkonventioneller und kreativer Form sichtbar werden zu lassen. Die thematische Verknüpfung der Bereiche Kunst und Medizin, resp. Kultur und Pflegeberufe, bietet vielschichtige Möglichkeiten der Wissensvertiefung. Theorie und Praxis begegnen sich in sinnlicher Weise. Anhand von künstlerischen Einzel- oder Gruppenarbeiten wird berufsspezifisches Fachwissen sichtbar gemacht und um neue Perspektiven erweitert. Die eigenständige Sichtweise der Studentinnen und Studenten steht dabei im Vordergrund. Das Projekt wird geleitet von der Künstlerin Myriam de Wurstemberger und vom Künstler Frantiček Klossner.
Ausgehend vom individuellen Erfahrungsschatz der Studentinnen und Studenten, wird eine grosse Vielfalt unterschiedlicher Werke entstehen. Die Vielfalt der Werke soll auch die Vielfalt des Denkens widerspiegeln. Bei der Realisierung der Werke werden die Lernenden von den Kunstschaffenden Myriam de Wurstemberger und Frantiček Klossner unterstützt.
Die Werke werden in einer Abschlussausstellung in der öffentlichen Bibliothek am Berner Bildungszentrums Pflege öffentlich präsentiert. Die Ausstellung soll einen lebhaften und authentischen Einblick in die aktuellen Themen der Pflege vermitteln. Aus der Sicht von angehenden Fachpersonen ... aus erster Hand!
Kurswochen:
Montag, 09. Okt. bis Freitag 13. Okt. 2023
Montag, 16. Okt. bis Freitag 20. Okt. 2023
Ort:
Berner Bildungszentrum Pflege
Freiburgstrasse 133, Bern
Zimmer A 113 / 1.OG
Inputreferate:
- Diversität & Mentalitätsgeschichte
- Medizinische Bildwelten in der Gegenwartskunst
- Medizingeschichte im Spiegel der Kunstgeschichte
- Kulturgeschichte der Pandemien
- Kreativität und Krankheit
Der Mensch im Fokus: Das Pilotprojekt «Kunst und Pflege» wurde von Frantiček Klossner und Urs Schürch explizit für den Lehrplan von angehenden Pflegefachfrauen und Pflegefachmänner an Berufsschulen entwickelt und erstmals 2018 am Bildungszentrum BZI Interlaken durchgeführt. Im Rahmen des kantonalen Innovationswettbewerbs «Kunst an Schulen» wurde das Pilotprojekt zur Förderung ausgewählt und konnte mit Beiträgen des Kantons Bern und der Stanley Thomas Johnson Stiftung durchgeführt wurde. Die Werke der angehende Pflegefachfrauen und Pflegefachmänner wurden in einer vielbeachteten Ausstellung im Kunsthaus Interlaken präsentiert.
Der gesellschaftliche Wandel in Europa wird im Spiegel der Medizingeschichte besonders deutlich sichtbar. Anhand von bekannten Meilensteinen der Kunstgeschichte untersuchen wir die Wechselwirkungen zwischen der Medizingeschichte und der europäischen Mentalitätsgeschichte. Von der Befreiung des Denkens in den Epochen der Renaissance und der Aufklärung, über die geistigen Erneuerungen des Humanismus bis hin zum Fortschrittsdenken der Neuzeit und den Umbrüchen der Moderne. Anhand der Medizingeschichte entdecken wir die Entstehung von integrativen und reflektierenden Gesellschaften. Die Geschichte Europas ist eine Geschichte der kulturellen Vielfalt. Uns verbindet eine reiche gemeinsame Vergangenheit der gesellschaftlichen Wechselwirkungen und der kulturellen Inspirationen. Aus dem Dialog der Vielfalt, der Diversität, gestalten wir täglich unsere gemeinsame Gegenwart und Zukunft. Ausgehend von der Emanzipation des Denkens, wurden neue politische Ideen geboren, neue Wissenschaften und neue Kunstformen entdeckt, neue Staatsformen wie die Demokratie entwickelt und neue Formen des Zusammenlebens geschaffen. Unsere Gefühle... unser Denken... unsere Werte und Ideale ... spiegeln diese Mentalität der kulturellen Vielfalt. Wir leben im Hier und Jetzt … wir sind die Zeitzeugen der Gegenwart, also jener Epoche, die wir durch unsere Kreativität, durch unser Denken und Handeln, jeden Tag neu formen und mitbestimmen.
Das Musée de la main UNIL-CHUV in Lausanne hat den Pflegeberufen in der Corona-Pandemie (2021) eine unkonventionelle Plattform gewidmet: Angehende Pflegefachfrauen und Pflegefachmänner der Haute Ecole de la Santé La Source und der Haute Ecole de Santé du Canton de Vaud HESAV, haben in einem gemeinsamen Kunstprojekt, unter der Leitung des Künstlers Frantiček Klossner, ihrer Kreativität freien Lauf gelassen, um ihre Erfahrungen, Gefühle, Hoffnungen und Sorgen auszudrücken. Ihre Werke luden dazu ein, die heutige Situation der Pflegeberufe zu hinterfragen und aus neuen Perspektiven zu betrachten. Das grosse gesellschaftliche Engagement der jungen Generation wurde in der Ausstellung deutlich spürbar und die Systemrelevanz der Pflegeberufe unübersehbar.
Zahlreiche bekannte Werke der Gegenwartskunst sind beeinflusst vom Fortschritt in der Medizin. Bildgebende Verfahren, wie sie in der Medizin zur Anwendung kommen, verändern unsere Selbstwahrnehmung und gelangen als zeitgenössische Ausdrucksmittel auch in der Kunst zum Einsatz. Sie vermitteln ein sehr aktuelles Menschenbild zwischen Globalisierung und digitaler Transformation, in einer sich rasant verändernden Welt.
Menschenbilder der Gegenwart: Der australische Bildhauer Ron Mueck (geb. 1958 in Melbourne) ist bekannt für seine überdimensionalen hyperrealistischen Menschenplastiken aus Fiberglas und Silikon. Die künstlerische Absicht ist die radikale Übersteigerung der Wirklichkeit, wie wir sie im alltäglichen Leben
nie selber erleben können. Die Kunst macht es möglich. Der Themenkreis seiner Werke umfasst Geburt, Leben, Jugend, Alter und Tod.
Kunst und Pflegeberufe: Installation von Sun Yuan und Peng Yu, «Das Seniorenheim», Lebensechte Skulpturen in unentwegt, ziellos herumfahrenden, elektrischen Rollstühlen, Kunstsammlung Sigg / Ausstellung «Chinese Whispers», Zentrum Paul Klee, Bern, 2016
Kunst ist Medizin / Medizin ist Kunst: In seiner Werkreihe «The Cure» kommentiert der britische Künstler Damien Hirst die Macht der Pharmaindustrie in der modernen Gesellschaft und erinnert dabei an Andy Warhols Ästhetik der Pop-Art. Die Werke sind ein Symbol für eine sterile Welt, in der Schmerz mit Medikamenten neutralisiert wird und negative Gefühle betäubt werden.
Wie bildgebende Medien aus der Medizin die Sicht auf das eigene Selbst verändern: «X-ray of My Skull», Meret Oppenheim, 1964
«Mein Schädel begegnet seinem Gesicht», Fluoroskopie, Selbstportrait, Echtzeit-Video in Röntgendurchleuchtung, Gesichtsbemalung mit medizinischem Kontrastmittel, Frantiček Klossner, 1999
Performancekunst in der Rehaklinik: «Selbstporträt in Gold» von der Zürcher Künstlerin Manon (nach einem chirurgischen Eingriff am Schultergelenk)
Kunst und Medizin: «Temple», eine 6.4 Meter hohe Bronzeskulptur vom britischen Künstler Damien Hirst, 2008
Kunst und Medizin als Hoffnungsträger: die Bronzeskulptur «Temple» von Damien Hirst in der Ausstellung «Mental Escapology» (Psychische Entfesselung) in St. Moritz, 2021 ... Kunstwerke im öffentlichen Raum: Eine Antwort auf die Schliessung der Kunstmuseen während den Corona-Lockdowns.
Diversität und Kunst: Ein Aufruf gegen Rassismus und gegen jede Form von Diskriminierung. Der Künstler Oliviero Toscani fotografierte 1996 für eine globale Plakat-Aktion der Firma Benetton drei menschliche Herzen.
Was von Außenstehenden oft übersehen wird, ist die Fähigkeit von Pflegepersonen, den Körper und die Mimik von Patienten und ihren Angehörigen zu lesen, denn eine Diagnose beispielsweise, kann eine ebenso große psychische Belastung darstellen wie die Symptome einer Krankheit. Es gibt grosse Unterschiede zwischen «Schauen» und «Sehen». Das tatsächliche Sehen und Erkennen, ist eine aktive und dynamische Synthese von Informationen, um Schlussfolgerungen zu ziehen, während das Schauen eher passiv und distanziert bleibt. Die kreative Auseinandersetzung mit kulturellen Inhalten und die künstlerische Umsetzung eigener innerer Bilder, sind hervorragende Mittel, um das «aktive empathische Sehen» zu trainieren und unsere diagnostischen Fähigkeiten zu schärfen.
Menschliche Aggregatzustände: Die Videoinstallation «ex vivo - in vitro» von Frantiček Klossner erinnert an eine Sammlung von anatomischen Präparaten in einem medizinhistorischen Museum. In Flüssigkeit eingelegt, isoliert, konserviert und voneinander getrennt, entdecken wir menschliche Körper und sprechende Köpfe, die sich wie eingeschlossene Geister in großen Glaskolben bewegen. Die Situation deutet an, was Isolation mit der Psyche eines Menschen macht.
Das Ich im Übergang: «Melting Selves», Franticek Klossner, gefrorene Selbstporträts in Eis, Werkreihe seit 1990
Exkursion im Rahmen des Kunstprojekts:
Das Musée de la main UNIL-CHUV in Lausanne ist das einzige Schweizer Museum, das sich explizit dem Dialog von Kunst und Medizin widmet. Kunsthistoriker*innen, Mediziner*innen und Forscher*innen haben sich zusammengetan, um einen Ort der Kultur zu schaffen, der es allen ermöglicht, aktuellste wissenschaftliche und soziale Themen im Geiste der Offenheit, des Dialogs und der Neugier zu erkunden. Das Team arbeitet eng mit der Universität Lausanne UNIL, dem Universitätsspital CHUV und der École polytechnique fédérale de Lausanne EPFL zusammen. Das Museum wurde 1997 vom bekannten Schweizer Handchirurgen Claude Verdan gestiftet.
Pflege im antiken Griechenland: Das Marmor-Relief schildert in drei simultan dargestellten Szenen den erfolgreichen Fortgang einer Heilung. Es trägt die Inschrift: «Archinos hat dieses Relief dem Amphiaraos geweiht». Szene in der Mitte: Der verletzte Archinos hat sich zum Heilschlaf niedergelegt; eine Schlange leckt ihm die verletzte rechte Schulter. Szene links: Im Traum tritt der Heilgott Amphiaraos hinzu und führt – ruhig auf den Asklepios-Stab gestützt – eine Pflegehandlung an der Schulter durch. Unklar bleibt, ob der Heilgott einen Skalpellschnitt setzt oder eine Salbe appliziert. Szene rechts: Der gesunde Archinos hebt zum Beweis für seine Heilung die rechte Hand und deutet auf die Tafel im Hintergrund. Damit zeigt er den Ort der Heilung an, das Amphiareion von Oropos, einem in der Antike bekannten Kurort mit Orakelstätte. Die Heilstätte stand in Konkurrenz mit dem Asklepieion von Epidauros, dem wohl wichtigsten medizinischen Zentrum der Antike im Mittelmeerraum. Die griechische Medizin beeinflusste die Geschichte der europäischen Medizin für mehrere Jahrhunderte. Philosophen wie Hippokrates von Kos schufen mit ihrem Denken eine Basis für neue Betrachtungsweisen. So wurden Krankheiten nicht mehr als eine "göttliche Strafe" betrachtet und die Medizin wurde allmählich als eine Wissenschaft verstanden.
Quacksalberei im Mittelalter in Europa: Der niederländische Maler Hieronymus Bosch (1450-1516) versucht mit seinen Bildern die Bevölkerung aufzuklären und prangert die Machenschaften der Scharlatanerie an: Das Bild zeigt einen reichen Bürger, der sich von einem sogenannten «Steinschneider» behandeln lässt. Im Mittelater existierte der Volksglauben, dass «Wahnsinn» geheilt werden kann, wenn man die «Steine der Dummheit» aus dem Kopf entfernt. Meist gab die Familie oder die Kirche diesen Eingriff in Auftrag. Dem «Patient» wurde - ohne Narkose, versteht sich – die Kopfhaut geöffnet und so lange in der Wunde herumgepult, bis sich dem Quacksalber eine günstige Gelegenheit bot, einen mitgebrachten und im Ärmel versteckten Stein hervor zu zaubern. Der Künstler Hieronymus Bosch arbeitet in seinem Bild mit einer überaus deutlichen Symbolsprache um die Bevölkerung aufzuklären: Den «Steinschneider» hat er als unwissenden Narr dargestellt. Er trägt einen Trichter verkehrt herum als Kopfbedeckung. Damit macht der Künstler klar, dass kein Wissen in diesen Kopf gelangen kann. Die Nonne macht vom Buch der medizinischen Wissenschaft einen ähnlich unsinnigen Gebrauch: Sie trägt das verschmähte Wissen als «Narrenkappe» auf ihrem Kopf. Der Künstler hat ihr einen Geldbeutel in Form einer Kröte an die Seite gemalt, womit er sie als geldgierig darstellt. Wahrscheinlich hat sie zusammen mit dem Dominikaner-Mönch den «Patient» vermittelt und wartet nun auf ihre Provision. Der lederne Geldbeutel des Patienten verrät, dass er vermögend ist. Links hinter dem Kopf des Scharlatans erkennt man einen Galgen. Eine Warnung des Künstlers, dass solche Quacksalberei bestraft werden sollte. Allerdings zeigt die Entfernung des Galgens, dass eine Verurteilung wohl selten oder nie passierte. Um die Aussage des Bildes unmissverständlich zu verstärken, hat der Künstler sein Werk mit einem Spruchband eingefasst: «Meister, schneid mir die Steine raus ... mein Name ist dummer Dachs».
DIe Entdeckung der modernen Anatomie: 1543 veröffentlichte der flämische Anatom und Chirurg Andreas Vesalius die «Sieben Bücher vom Bau des menschlichen Körpers». Er unterrichtete an der Universität von Padua. Aufgrund seiner Publikationen gilt er als einer der einflussreichsten Begründer der modernen Anatomie in der europäischen Medizin. Seine «Sieben Bücher vom Bau des menschlichen Körpers» trugen in der Epoche der Renaissance bzw. des Humanismus ganz wesentlich zur Aufklärung bei. Das erste Buch handelt vom Knochenbau des Menschen, das zweite von den Muskeln, das dritte von den Adern, das vierte von den Nerven. Die Bücher Fünf und Sechs befassen sich mit Unterleib und Brusthöhle, das Siebte schließlich mit dem Gehirn «als Werkzeug der Vernunft». In diesem siebten Buch liefert Vesalius eine detaillierte Beschreibung der Hirnventrikel, der Hirnhäute und der Adern, die das Gehirn versorgen, er unterscheidet zwischen der weißen und der grauen Substanz der Hirnrinde, beschreibt Strukturen wie Corpus Callosum, Cerebellum, Pons und Amygdala und widmet sich auch den Sinnesorganen.
«Die Operation», Das barocke Ölgemälde des neapolitanischen Künstlers Gaspare Traversi eröffnet einen drastischen Blick auf einen Galleneingriff. Das Werk entstand 1753, in jenem Jahr als der französische Aufklärer Denis Diderot seine Abhandlung «Von der Interpretation der Natur» erstmals veröffentlichte. Es war die Epoche der Aufklärung, der geistigen und sozialen Reformbewegungen in Europa. Wissenschaftliche Entdeckungen waren nicht mehr nur der Oberschicht vorbehalten. Doch das neu erlangte Wissen war nicht in allen Kreisen willkommen. In diesem Kontext kann «Die Operation» auch als ein Kommentar zum Kampf zwischen Wissenschaft und Glauben verstanden werden. Der Patient wurde von Gaspare Traversi in den Farben Blau und Weiss als religiös spirituell dargestellt. Der Operateur und sein Helfer symbolisieren in rötlichen Erdfarben das rationale Denken wissenschaftlicher Bestrebungen. Die Frau im Hintergrund scheint für den Patienten zu beten. Gleichzeitig verschließt sie jedoch die Augen vor der Realität. Der Operationshelfer fixiert den Arm des Mannes. Die geballte Faust, vom Schmerz verkrampft, scheint «nach dem Himmel zu greifen» und verweist auf die revolutionären politischen Umwälzungen jener Zeit. Im übertragenen Sinn sagt das Bild: «Die Wissenschaft überwältigt althergebrachte Ideologien».
„Das hat es noch nie gegeben” ... diesen Kommentar hörten wir im Februar 2020 oft. Doch das Phänomen der Pandemien prägt unsere Kulturgeschichte bereits seit Jahrtausenden. Nur wenige von uns haben innerhalb ihres Lebens schon einmal miterlebt, wie sehr eine Seuche und die gegen sie ergriffenen Präventionsmassnahmen, den eigenen Alltag und das Zusammenleben verändern. In früheren Zeiten ging es nicht um Covid-19, sondern um Krankheiten wie die Pest, Pocken, Tuberkulose, Cholera oder Aids. Alle diese Pandemien haben unsere Gesellschaft und Kultur massgeblich verändert und geprägt.
Pandemien prägen unsere Kulturgeschichte: In Giuseppe Verdi’s 1853 uraufgeführten Oper «LA TRAVIATA» stirbt die Hauptfigur an Tuberkulose.
Die albanische Opernsängerin Ermonela Jaho in ihrer sensationellen Performance als sterbende Violetta in Giuseppe Verdis «La Traviata», 2008
STOP AIDS Präventionskampagne 2006: Eishockey-Spieler, Fechterinnen, Motorrad-Rennfahrer ohne Schutzanzüge vermitteln das Bild der Verwundbarkeit.
TV-Moderator Charles Clerc überrascht am 3. Febr. 1987 das Fernsehpublikum, indem er zum Auftakt der STOP AIDS Kampagne in der Schweizer Tagesschau den Gebrauch eines Kondoms erläutert …
Prävention und Aufklärung 1920: «Übertragung der Tuberkulose», aus: Langstein-Rott, Atlas der Hygiene des Säuglings und Kleinkindes
Die Pest in Bern: In den Jahren 1349, 1355, 1367, 1395, 1411, 1419, 1439, 1478, 1482 und 1493 wurde die Stadt Bern von schwerwiegenden Pestwellen heimgesucht. Bereits die erste Welle führte zu einem drastischen Bevölkerungsrückgang. In Bern starben pro Tag bis zu 60 Menschen. Um die Bevölkerungsverluste teilweise durch Zuwanderung auszugleichen, wurden die Niederlassungsbestimmungen massiv erleichtert. Die Einwohnerzahlen erholten sich jedoch erst zu Beginn des 16. Jahrhunderts. Ein Drittel der europäischen Bevölkerung wurde vom «Schwarzen Tod» dahingerafft. In dieser Zeit entstand die Kunstgattung des «Totentanzes» (Danse macabre). In wirkmächtigen Bilderzyklen wurde das Trauma der überlebten Pandemiewellen verarbeitet: Skelette tanzen einen Reigen mit Menschen aus allen gesellschaftlichen Schichten. Der Papst muss genauso mit dem Tod tanzen, wie der Kaiser, der Ritter oder der Bürgermeister. (Bild oben: «Berner Totentanz» von Niklaus Manuel Deutsch, 1516, nach einer Kopie von Albrecht Kauw, 1649)
Der in Basel geborene Arnold Böcklin (1827-1901) war einer der bedeutendsten Künstler des 19. Jahrhunderts in Europa. Pandemien brachten großes Leid über seine Familie: Sein erster Sohn starb 1854 an der Cholera, ein weiterer Sohn starb 1858 an Typhus. In seinem Gemälde «Die Pest» (1898) inszeniert der Künstler den „Schwarzen Tod“ als Bedrohung der menschlichen Existenz und als Symbol der Unausweichlichkeit und Grausamkeit von Pandemien.
Kunst als Medizin: In den Selbstportraits von Vincent van Gogh wird sein Überlebenswillen und die Auseinandersetzung mit seiner Erkrankung besonders deutlich. In den Briefen an seinen Bruder Theo und an seine Schwester Wilhelmine schrieb er: «Die tägliche Arbeit an meinen Bildern ist zur Genesung unverzichtbar. Jeden Tag benötige ich diese Medizin». (Bild: Vincent van Gogh, Selbstportrait, «à mon ami Paul Gauguin», 1888)
Der schwedische Chirurg und Kunstförderer Philip Sandblom verband die medizinische Forschung mit seiner Leidenschaft für die Gegenwartskunst. Sein Interesse an den Wechselwirkungen zwischen Kreativität und Krankheit zog sich durch sein ganzes Leben. In mehreren Artikeln und Büchern brachte er diese Zusammenhänge unter neuen medizinischen Perspektiven zum Ausdruck. Sein vielbeachtetes Buch «Creativity and Disease: How illness affects literature, art, and music» wurde in zahlreiche Sprachen übersetzt. Darin untersucht er die Verbindung zwischen der realen Welt und der Welt der Fantasie. Basierend auf zahlreichen persönlichen Künstlergesprächen, analysiert Philip Sandblom die Auswirkungen von physischen oder psychischen Erkrankungen auf das künstlerische Œuvre von bildenden Künstlern, Schriftstellern und Musikern. Krankheiten können paradoxerweise für das künstlerische Schaffen motivierend und fruchtbar sein. Das gesteigerte Bewusstsein der eigenen Sterblichkeit kann für Kunstschaffende zum Anstoss werden, «das zu tun, was ihnen am wichtigsten ist». Körperliches oder psychisches Leiden kann somit zum Auslöser werden, für künstlerische Höchstleistungen.
Für die Recherchen zu seinem Buch, befragte Philip Sandblom auch den befreundeten Maler Henri Matisse. Der Künstler kämpfte nach einer Krebsoperation mit schwerwiegenden körperlichen
Beeinträchtigungen. Matisse erläuterte gegenüber Sandblom, wie diese Erfahrung seine Einstellung zur Kunst radikal veränderte: «Er wolle dieses Leben, das ihm nun ein zweites Mal
geschenkt worden sei, mit so viel Freude wie nur möglich ausstatten. Unter Blut, Schweiss und Tränen habe er der modernen Kunst am Anfang seiner Laufbahn neue Wege gewiesen - jetzt aber wolle er
sich das Vergnügen gönnen, diese Wege noch einmal leichten Herzens zu beschreiten, ohne ständiges Ringen und Kämpfen».
Das Kunst- und Bildungsprojekt «Kunst und Pflege» wurde ausgewählt im Rahmen des Wettbewerbs tête-à-tête der Kulturförderung des Kantons Bern
und wird ermöglicht mit freundlicher Unterstützung von Swisslos/Kultur Kanton Bern in Kooperation mit der Stanley Thomas Johnson Stiftung