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Ein Virtuose des Phantastischen: Wäre Franticek Klossner Alchimist, würde er sich vielleicht – nebst der Herstellung von Gold aus Sand – der Erzeugung von Homunculi widmen. Er sässe dann wie der Adlatus von Goethes Faust brütend vor der Feuerstelle und suchte, den Blick auf den Glaskolben fixiert, das Gelingen des Schöpfungsakts zu beschwören. Als Künstler stehen Klossner indes andere Methoden der Kreation zur Verfügung: Sein Bunsenbrenner ist die Kamera, sein Glaskolben der Computer, sein Fluidum das Video. Und Homunkuli bringt er gleichermassen hervor: Solche, die aus der Enge der Flasche das Gespräch suchen, und gerne auch einmal ein Geheimnis preisgeben. Fünf dieser Gesellen hat sich der Medien-Laborant «Ex vivo – in vitro» destilliert und als Flaschengeister domestiziert. Sie tummeln sich im Gefäss, sind in der Hohlform verzerrt, transformieren ihre Erscheinung unablässig und harren der Entfleuchung aus dem Flaschenbauch. Der Aufenthalt in diesem sonderbaren Kabinett zeitigt auch für die Besucherinnen und Besucher einen unausweichlichen Effekt: In Bann gezogen und abgestossen von den flüssigen Gesellen schauen sie die Performationen und lauschen sie den Geräuschen aus dem Kolbenreigen. Die sprechenden Köpfe, scheinbar von ihrem Leib isoliert, erzählen Rätselhaftes über das Leben und die Kunst. Alphons Silbermann, der renommierte Soziologe und Kommunikationswissenschaftler, äussert sich in eindringlichen Worten zur Wahrnehmung von Zeit (aus einem Klossner-Videolog von 1999, realisiert kurz vor Silbermanns Tod). Andernorts drehen sich tätowierte Gesichter, Globen gleich, um ihre eigene Achse und lassen die ins Antlitz gestochenen Bilder wie «Weltkarten gelebten Lebens» erscheinen. Und schliesslich winden sich jugendliche Körper nackt in der gläsernen Blase wie rastlose Föten. Dem Künstler ist am Vitalen im Versuchslabor genauso interessiert wie am Präparat, da in beiden Fällen bestimmte Zustände separiert erscheinen. Das Gesonderte, das in Einzelteile auseinanderdividierte, versteht er als «sublime Isolation». Sein erklärtes Ziel ist es, «menschlichen Aggregatszuständen» vermittels seiner Bildern habhaft zu werden und sie unter dem Brennglas der Kunst deutlich vor Augen zu führen. Doch des Bizarren nicht genug, Franticek Klossner konterkariert die Bodybilder mit invasiven Videobildern seines eigenen Körpers – Aussensicht versus Inspektion. Die Ultraschallkamera sucht sich den Weg durch das «Innere des Künstlers» bis zu dessen Pumporgan. Ein besonderes kordiales Angebot an das Visavis: «Ich öffne sozusagen dem Kunstpublikum mein Herz und lasse es teilhaben an dem Sturm, der darin tobt». Das injizierte Kontrastmittel macht sichtbar, wie das Blut durch die Herzklappen strömt; die drastischen Bilder lassen an einen Orkan denken, der im Leibesinnern mit ganzer Wucht an allem zerrt – ein Faszinosum, dass schon in den 1960er Jahren die findigen Macher von Science Fiction Filmen wie «Fantastic Voyage» inspirierte (1966, Regie Richard Fleischer). Somit erweist sich Klossner nicht nur als Impressario des Körperlichen sondern auch als Virtuose des Phantastischen. Klossner verwehrt sich indes dagegen, die gängigen Erzählmuster der effekthascherischen Unterhaltungsindustrie zu bedienen. Vielmehr hält er sich an den Philosophen Paul Virilio und dessen Auseinandersetzung mit dem Gegenwartsphänomen des «rasenden Stillstands». In Anlehnung an die Gedankengänge Virilios zelebriert der Künstler in «Ex vivo – in vitro», wie auch schon in früheren Video-Installationen, die Poesie der Langsamkeit und die «Rückeroberung des Körpers». Der «Alchimist» Klossner vertieft sich in das Leben (Sand) und trachtet nach verborgenen Schönheiten und Rätseln (Gold), die nur in der Ruhe erkennbar werden (Magie). So verwundert es denn nicht, wenn er als eines seiner wertgeschätztesten Kunstwerke ein Gemälde von Michelangelo Caravaggio nennt, das dieser 1596–97 für seinen ersten Förderer, Kardinal Francesco Maria del Monte, in dessen Palast an der Decke der Alchimisten-Kammer ausführte. Jupiter, Neptun und Pluto treten als Allegorie der Alchemie in Erscheinung und verkörpern als Triade des Paracelsus die Elemente Schwefel und Luft, Quecksilber und Wasser, Salz und Erde. Der Götter Interesse gilt der transparenten Himmelssphäre in ihrer Mitte, worin sich der Zeiten Lauf schemenhaft abzeichnet. Das Verrinnen von Zeit und die Transfiguration im weitesten (und nicht im religiösen) Sinne sind Kernthemen Klossners und manifestieren sich besonders augenfällig in seinen Abschmelzungen. Es sind dies Eis-Köpfe oder Eis-Torsi – stets Nachbildungen seiner selbst – die der Künstler an einer Kette von der Decke hängend oder auf einem Nagelbett lagernd der Raumtemperatur des Ausstellungsraumes aussetzt und somit deren Schicksal besiegelt. Aus dem Festkörper wird unweigerlich eine Lache, aus der konkreten Gestalt formt sich das fliessend flüchtig Amorphe – ganz entgegen dem innigsten menschlichen Wunsch nach Dauer und Vollendung. (Gabrielle Obrist, Kunsthalle Wil, 2014)


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Ausstellungsansicht Kunsthalle Wil, 2014, «ex vivo - in vitro», Multi-channel Videoinstallation, Frantiček Klossner, Foto: Simon Schmid


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«ex vivo - in vitro», Videoinstallation, Frantiček Klossner, Kunsthaus Interlaken, 2016


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«ex vivo - in vitro», Multi-Channel Video Installation, Frantiček Klossner, 2014, Mitwirkende: Gerrit Bernstein, Fabian Eyer, Gianmaria Fedele, Anna Vera Messmer, Julian Anatol Schneider, Johannes Schumacher, Kamera: Tom Bernhard, Technik: Marc Gasser


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«ex vivo - in vitro», Videoinstallation, Frantiček Klossner, Ausstellungsansicht Kunsthalle Wil, 2014


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Der Berner Künstler entpuppt sich als Alchimist. Franticek Klossners Homunculi in gläsernen Reagenzblasen sind beeindruckend. Seine Videoinstallation «ex vivo – in vitro» ist nicht nur unglaublich ästethisch sondern schlichtweg genial – die moderne Technik machts möglich. Die Flaschengeister in seinem Laboratorium im zweiten Geschoss des Kunsthauses Interlaken ziehen die Betrachter in ihren Bann. Was war? Was ist? Was kommt noch?   (Nora Devenish in: Interlaken Jungfrau Zeitung, 18.9.2016)


Frantiček Klossner