Generation Head Down


Zur Ausstellung «Ich nicht Ich - Das Selbstbild im digitalen Zeitalter» hat der Künstler Franticek Klossner fünf prominente Gäste zu einer Talkshow eingeladen: Athene, die Schutzgöttin der Künste; Artemis, die unzähmbare Göttin der Jagd; Niobe, die klagende Königin von Theben; der römische Kaiser Claudius und der redegewandte Götterbote Hermes, haben sich im Kunsthaus Zofingen zur Diskussionsrunde versammelt. Die antiken griechischen und römischen Büsten (Leihgaben der Universität Bern) werden durch Videoprojektionen zum Leben erweckt. Fünf Schauspielerinnen und Schauspielern verleihen ihnen eine Stimme der Gegenwart. Frantiček Klossner hat diese Technik bereits seit 1996 in seiner Werkreihe "Herstory and History" angewendet und weiterentwickelt. Zwischen den antiken Bildträgern und den Gesichtern der Gegenwart entsteht ein spannungsvolles Spiel von Überlagerungen, Deckungsgleichheiten und Ungleichheiten. Die Gesichter treten "aus sich heraus", ruhen "bei sich" oder geraten "ausser sich". Der Künstler hat die antiken Büsten im photogrammetrischen Verfahren um einen menschlichen Arm ergänzt. In der Hand ein Smartphone, in das sie unentwegt hineinreden. Das Stimmengewirr der sprechenden Büsten liefert ein prägnantes Sinnbild für die sogenannte «Generation Head Down». In Klossners Textcollagen plaudern die Statuen von ihrem «Selbst», das sich unentwegt zu optimieren versucht und von der Angst etwas zu verpassen (Fear of missing out). Alle reden gleichzeitig aneinander vorbei. Damit entwirft der Künstler ein äusserst listiges Bild zur zwischenmenschlichen Kommunikation im digitalen Zeitalter.


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Der Schauspieler Ben Gageik in der Videoinstallation »Generation Head Down«, Kunsthaus Zofingen, 2017, Foto: Timo Ullmann

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Generation Head Down, Videoinstallation, Frantiček Klossner, 2017, Mitwirkende Schauspielerinnen und Schauspieler: Eva Marianne Berger, Gianmaria Fedele, Thimna Fink, Ben Gageik, Malte Homfeldt, Silvia-Maria Jung, Kamera: Tom Bernhard, Technik: Marc-André Gasser


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Katalog zur Ausstellung mit Texten von Alice Henkes, Frantiček Klossner und Claudia Waldner - «ICH NICHT ICH - Das Selbstbild im digitalen Zeitalter» - Kunsthaus Zofingen, 2017, mit Werken von Jürgen Brodwolf, Niklas Goldbach, Tom Karrer, Franticek Klossner, Oliver Krähenbühl, Manon, Anuk Miladinović, Victorine Müller, Pat Noser, Andrea Nyffeler, Meret Oppenheim, Steven Schoch, Karoline Schreiber, Hannah Villiger.

 

Auszug aus dem Text von Frantiček Klossner: Always Online mit gesenktem Blick, fasziniert vom sozialen Netz, streicheln wir das Fenster zur globalen Ferne weit häufiger als unser Gegenüber. Der mediatisierte gläserne Mensch ist Tatsache geworden, wie es die Philosophen Jean Baudrillard, Paul Virilio oder Vilém Flusser bereits in den 80er Jahren in ihren Thesen formuliert haben. In fortwährender Rückkopplung wird das Abbild das wir von uns aussenden als Marktanalyse auf uns zurückgeworfen. Die Spuren der Selbstfindung bleiben unauslöschlich im digitalen Gedächtnis eingebrannt. Die stetige Vergegenwärtigung der eigenen Existenz durchdringt den gesamten Körper. Aus der Handfläche, aus der sich andere Generationen die Zukunft haben lesen lassen, spricht das Smartphone unentwegt zu uns. In x-facher Zersplitterung versucht das "Ich" sein "Selbst" zu finden und stellt sich täglich die Frage aus Richard David Prechts Bestseller: Wer bin ich ? ...und wenn ja, wie viele ?