Villa Jelmini - The Complex of Respect, Harald Szeemann Memorial Exhibition, Kunsthalle Bern, 28. Januar - 26. März 2006, curated by Philippe Pirotte, with Tonico Lemos Auad, Balthasar Burkhard, Kristina Braein, Roberto Cuoghi, Wim Delvoye Artfarm, Gardar Eide Einarsson, Armen Eloyan, Marius Eng, Jaime Gili, Ivan Grubanov, Franticek Klossner, Michael S. Riedel, Tommy Simoens, Boy Stappaerts


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«Josy Kraft verpackt Christo», Zeichnung, Bleistift auf Papier, Franticek Klossner, Kunsthalle Bern, Harald Szeemann Gedenkausstellung, 2006

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«Der Kunsthistoriker Hans Christoph de Tavel trägt zwei Fahnen von Meret Oppenheim über die Brücke mit Wolken», Zeichnung, Bleistift auf Papier, Franticek Klossner, 2006, Kunsthalle Bern, Harald Szeemann Gedenkausstellung

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«Die Kunstkommission steht vor einem Rätsel», Zeichnung aus der Reihe: Kunst macht Politik, Franticek Klossner, 2006, Kunsthalle Bern, Gedenkausstellung Harald Szeemann

Der Kunstflüsterer

Michaela Nolte, zur Werkreihe "Kunst macht Politik", 2007:  In seinem interaktiven Performance Archiv "Kunst macht Politik" (ab 2003) knüpft Frantiček Klossner eine Dialogschleife aus vielfältigen Netzwerken mit Videoaufnahmen von bis dato rund 500 Kulturschaffenden. Es ist keine herkömmliche Sammlung, sondern ein rhizomatisches Geflecht, mit dem Künstler als Gemeinschaftsstifter für menschliche, künstlerische und mediale Interferenzen. Kulturschaffende, Kulturvermittelnde und Kulturpolitiker werden von Frantiček Klossner zu spontanen Aktionen, Performances oder intimen Improvisationen animiert, aus denen - im Sinne Gaston Bachelards „Die Blume ist immer schon in der Mandel“ -, poetische und surreale Miniaturen entstehen. Die Paradies-Performance von Sandra Gianfreda und Bernhard Mendes Bürgi am Zitronenbaum der Erkenntnis im Kunstmuseum Basel beispielsweise oder das Künstlerkollektiv, das Klossner mit der schlichten Vorgabe vom peacigen WG-Tisch vor seine Kamera lockt: „Geht doch mal einfach die Wände hoch!“ Der Künstler als Animateur lässt das Unmögliche denken und versetzt es in Aktion. Der Künstler als Archivar schafft unkonventionelle Dokumente die auf der Lust an Kunst basieren, darunter zahlreiche mittlerweile historische Momente wie beispielsweise die Performance von Martha und Maurice E. Müller mit Schaufel und Pickel in der Baugrube des werdenden Zentrums Paul Klee oder die „Abbey Road“-Performance mit Balthasar Burkhard, Claude Kuhn, Gerhard Johann Lischka und Alexander Tschäppät auf einem Zebrastreifen im Berner Botschaftsquartier. „Grundlegend für die vielfältigen Erscheinungsformen von Performance-Art […] ist der körperliche Vollzug einer Aktion“, heißt es in einem Performance-Reader. Abgesehen davon, dass das nach höherer Gewalt klingt, widerlegt Frantiček Klossner eine solche Definition mit seinen intermedialen Arbeiten, in denen Video, Performance, Fotografie oder Installation stets über das eine Medium hinausweisen. Nicht der körperliche Vollzug, vielmehr die körperliche Lust und Interaktion der Performer und Betrachter scheinen als zentrales Moment im Werk des Künstlers auf; Humor als ein weiteres. Humor als Katharsis. Aus der Bildkunst heraus agiert Klossner frech, listig und innovativ. Untersucht den Körper als Skulptur, als sich auflösendes und sich selbst wieder generierendes Kunstwerk, lässt Tanz, Sprache, Zeichnung und Schrift ganz selbstverständlich einfließen in die Grenzüberschreitung als performative Grundhaltung. So erscheint es nur konsequent, dass der körperliche Vollzug in der für Klossner „ultimativsten Performance“ gänzlich aufgehoben wird. Tim Steiner, ein Künstlerfreund von Frantiček Klossner, der als lebender Bildträger ein Werk von Wim Delvoye auf seinem Rücken trägt, musste die berühmte Tätowierung für einen medizinischen Eingriff aufschneiden lassen. Frantiček Klossner hat seinen Freund während der Narkose im Operationssaal begleitet und zusammen mit dem Fotografen Simon Schmid die Operation dokumentiert. „Der Verlust von Bewusstsein hat mich tief beeindruckt und zu der Frage geführt, ob es für die Performance überhaupt ein Bewusstsein braucht. Der in Narkose schwebende Körper von Tim Steiner war unglaublich präsent und hat in seiner absoluten Passivität einen faszinierenden Kontrapunkt zum aktiven Kunstwollen gesetzt.“ Die Performance des narkotisierten Freundes wird zum eindringlichen Kunsterlebnis, zum Kunst-Sein, vollkommen durchdrungen von authentischer Selbstverständlichkeit, wo Bilder nicht erodieren, sondern weiterwirken und zum (scheinbar) Unmöglichen anregen. Der Künstler wird zum Kunstflüsterer. Auf der Grenze von Explizitsein und Implizitsein setzt Klossners Kunst Energie frei und birgt Ansteckungspotenzial.


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Kunst und Spiel

Gerhard Johann Lischka, zur Werkreihe "Kunst macht Politik", 2003: Durch die apparativen Medien sind wir so sehr von der Hülle ihrer Präsenz umwunden, dass Interaktionen den gesellschaftlichen Kontext bestimmen und generieren; auch wenn wir die Gegebenheiten direkter Aktion behalten. Ob es sich um die Kunst, die Politik oder die Ökonomie oder den Lifestyle handelt: der Kommunikationstransfer und -austausch wickelt sich primär medial ab. Auf Grund dieser Tatsache werden wir alle zu Performern (Schau-Spielern), die ihr Image zu Markte tragen. Dabei handelt es sich natürlich noch um keine darstellende Kunst, sondern um ein Spiel, ein Spiel mit verschiedenen Masken. Je spielerischer die Inszenierungen sind, desto offener ist der Umgang, desto poetischer der Akt. Wird das Spiel im Kontext der Kunst - bei einer Wertung durch geschichtlichen Vergleich - so dicht, dass das Überzeitliche uns berührt, das Rätselhafte uns trifft, so wurde aus dem Spiel Kunst. Je mehr sich das Spiel in eine ernste Lage verwandelt, je mehr das offene System zum Systemzwang wird, desto mehr verhärtet sich die Situation, und aus Lust am Spiel wird der Zwang sich aufzugeben. Die Offenheit des Spiels mit den Medien beglückt uns jedoch so, dass wir auch in nicht spielerischen Situationen verspielter werden.


Kunsthalle Bern Gegenwartskunst

Franticek Klossner