Das Bildungsprojekt «Kunst und Medizin / Kultur und Pflege» versteht sich als praxisorientiertes Unterrichtsangebot für Berufsschulen und richtet sich an Lernende, die sich in der Ausbildung zur Fachfrau Gesundheit / Fachmann Gesundheit EFZ (kurz FaGe) befinden. Das Projekt wurde erstmals 2018 am Bildungszentrum Interlaken BZI durchgeführt, wo es vom Berufsschullehrer Urs Schürch in Zusammenarbeit mit dem Kunstschaffenden Frantiček Klossner explizit für den Fachbereich der Gesundheitsberufe entwickelt wurde.
Anhand künstlerischer Umsetzungen wird berufsspezifisches Fachwissen vertieft und um neue Perspektiven erweitert. Das Unterrichtsmodul bietet den Lernenden die Chance, persönliche Erfahrungen aus ihrer Berufspraxis sichtbar werden zu lassen und mit den schulischen Lernzielen und Kompetenzen in innovativer Form zu verbinden. Die fächerübergreifende Vermittlung von Theorie und Berufspraxis, stärkt sowohl die Fach- als auch die Sozialkompetenz und fördert den Individuationsprozess der Lernenden.
Das Unterrichtsprogramm wurde im Rahmen des Innovationswettbewerbs «Kunst an Schulen» von der Erziehungsdirektion des Kantons Bern als modellhaftes Bildungsprojekt
ausgezeichnet. Es wird unterstützt vom Amt für Kultur des Kantons Bern in Kooperation mit der Stanley Thomas Johnson Stiftung. Mit dem Innovationswettbewerb «Kunst an Schulen» fördert der Kanton
Bern herausragende und partizipative Vermittlungsprojekte, die in enger Partnerschaft zwischen Schulen und Kulturschaffenden entstehen. Die Bildungs- und Vermittlungsprojekte ermöglichen den
Schülerinnen und Schülern eine aktive Auseinandersetzung mit kulturellen Inhalten und gesellschaftlichen Aspekten im Rahmen ihrer beruflichen Ausbildung.
Die Bekämpfung der COVID-19-Pandemie lässt die Systemrelevanz der Pflegeberufe besonders deutlich werden. Die Gesellschaft wird wachgerüttelt und erkennt die zentrale Bedeutung der Gesundheitsberufe. Mit Applaus bedankt sich die Bevölkerung bei den Pflegekräften. Der Stellenwert einer bisher unterbezahlten Berufsgruppe wird von einer breiten Bevölkerungsschicht neu anerkannt und höher eingestuft. Die Frage wird deutlich: Entsprechen die Löhne der Pflegeberufe ihrem tatsächlichen "Stellen-Wert" in unserer Gesellschaft? Vielen wird jetzt klar, was die deutsche Politikerin Sahra Wagenknecht über unser System sagt: «Jeder Altenpfleger leistet mehr für die Gesellschaft als alle Investmentbanker zusammen!» (Aussage in Günther Jauchs Talkshow vom 10. März 2013).
Die sogenannte Corona-Krise verändert den Blick auf die Gesellschaft, auf unsere Gewohnheiten, auf unsere Lebensformen und auf das System. Was vielen längst klar
war, wird plötzlich besonders deutlich: Die Gesellschaft ist angewiesen auf junge Menschen, die sich der Pflege und Betreuung hilfsbedürftiger Menschen widmen. Das Bildungsprojekt «KUNST UND
MEDIZIN - KULTUR UND PFLEGEBERUFE» thematisiert sowohl die veränderte öffentliche Wahrnehmung der Gegenwart wie auch den
stetigen kulturellen Wandel im Bereich der Gesundheitsberufe.
Filmtipp:
Kranke Pflege - Alexander Jorde - Pflegenotstand in deutschen Krankenhäusern
Ein Film von Nicole Rosenbach, 2018
Pflegenotstand in der Schweiz
Schweizer Nationalrat berät über die Stärkung der Pflege
Literatur:
Alexander Jorde, Kranke Pflege
Gemeinsam aus dem Notstand, 2019
Die im Unterricht entwickelten Arbeiten werden in öffentlichen Ausstellungen präsentiert. Aus der Summe von praxisnahen Erfahrungen entstehen bewegende künstlerische Werke, die durch ihre Ehrlichkeit und Aktualität ein breites Publikum erreichen und begeistern. Die Werke der angehenden Pflegefachkräfte vermitteln einen überaus authentischen Einblick in die existenziellen Erfahrungen und Emotionen, mit denen die angehenden Pflegefachkräfte täglich am Arbeitsort konfrontiert sind. Die Ausstellung bietet neue Sichtweisen aus «Erster Hand», nämlich aus der Sicht der direkt betroffenen jungen Generation.
Impulsreferat 1: «Medizingeschichte im Spiegel der Kunstgeschichte»
Ausgehend von kunsthistorischen Bildanalysen werden Zusammenhänge zwischen Kunst und Medizin sowie zwischen Kultur, Gesundheit und Pflege veranschaulicht. Im Fokus der Betrachtung steht dabei die Kultur- und Mentalitätsgeschichte der Pflegeberufe im Spiegel des gesellschaftlichen Wandels. Der Weg vom Mittelalter über die Epochen der Renaissance und der Aufklärung bis in die aktuelle Gegenwart, wird anhand zentraler Werke der europäischen Kunstgeschichte nachvollziehbar. Als Diskussionsgrundlage gelangen herausragende Werke folgender Künstler zum Einsatz: Mondino dei Luzzi, Marcus Vitruvius Pollio, Leonardo da Vinci, Hieronymus Bosch, Al-Razi, Rembrandt van Rijn, Cornelis Troost, u.v.a.
Impulsreferat 2: «Medizinische Bildgebung in der Kunst der Gegenwart»
Der Vortrag fokussiert sich auf den transdisziplinären Austausch zwischen Medizin, Forschung, Technologie und Gegenwartskunst. Zahlreiche Werke aktueller Kunstrichtungen sind geprägt oder beeinflusst vom Fortschritt in Wissenschaft und Medizin. Bildgebende Verfahren wie sie in der Medizin zur Anwendung kommen, gelangen als zeitgenössische Ausdrucksmittel auch in der Kunst zum Einsatz und vermitteln ein sehr aktuelles Menschenbild zwischen Globalisierung und digitaler Transformation. Als Diskussionsgrundlage gelangen Werke folgender Künstler zum Einsatz: Urs Burki, Valie Export, Damien Hirst, Frantiček Klossner, Edith Micansky, Manon, Ron Mueck, Meret Oppenheim, Orlan, u.v.a.
Impulsreferat 3: «Pflege & Digitalisierung»
Das Unterrichtsprogramm fördert den bewussten kreativen und reflektierten Umgang mit digitalen Medien. Sowohl berufsspezifische Medien wie auch die alltäglichen digitalen Kommunikationsmittel
werden auf ihr kreatives Potential und auf ihre gesellschaftliche Relevanz untersucht. Die Medienkompetenz der Schülerinnen und Schüler wird aktiv gefördert und findet ihren individuellen
Widerhall in den im Unterricht entwickelten künstlerischen Arbeiten. Aus aktuellem Anlass wird der Themenbereich «MEDIZIN UND DIGITALISIERUNG» um die Aspekte der Covid-19-Prävention erweitert.
Die Handynutzung zur Bekämpfung der Pandemie ist eine höchst umstrittene Technologie. Die Befürworter erhoffen sich eine effiziente Rückverfolgung von Infektionsketten. Spezifisch für unsere
westliche Gesellschaft entwickelte, via Bluethooth arbeitende Contact Tracing Apps sollen die Ausbreitung von Covid-19 verlangsamen und analysierbar machen. Dabei wird auf die Freiwilligkeit
gesetzt, ähnlich wie dies bereits mit Facebook, Google und Instagram geschieht. «Wir posten nicht mehr unser Mittagessen oder unsere Katze; wir posten unsere BLUTWERTE ... Wir posten,
also sind wir!»
Das Bildungsprojekt wird ermöglicht durch die Kulturförderung des Kantons Bern in Kooperation mit der Stanley Thomas Johnson Stiftung.
Das Projekt wurde erstmals 2018 am Bildungszentrum Interlaken durchgeführt, wo es vom Berufsschullehrer Urs Schürch in Zusammenarbeit mit dem Kunstschaffenden Frantiček Klossner explizit für den Fachbereich der Gesundheitsberufe entwickelt wurde. Das Projekt fand seinen Abschluss in einer vielbeachteten öffentlichen Ausstellung im Kunsthaus Interlaken.
Medienresonanz:
Mit Herz und Hirn, Helen Lagger
Berner Zeitung, 9. Februar 2018
https://www.bernerzeitung.ch/kultur/kunst/mit-herz-und-hirn/story/23852520
Pflegen ist auch Kunst, Nora Devenish
Jungfrau Zeitung Interlaken, 25. Januar 2018
https://www.jungfrauzeitung.ch/artikel/161521/
Kunst und Medizin, Art TV
Das Schweizer Kulturfernsehen
https://www.arttv.ch/mehr/kunsthaus-interlaken-kunst-und-medizin/